Das Phänomen "Familienaufstellung" jemandem zu erklären, der es noch nicht erlebt hat, ist ein sehr schwieriges Unternehmen. Ich will zuerst beschreiben, wie eine Familienaufstellung abläuft.

Es treffen sich ca. 10-20 Menschen, die daran interessiert sind, etwas über ihre Stellung in ihrer Familie zu erfahren. Der gerade arbeitet, schildert kurz das Problem, an dem er arbeiten will. Zum Beispiel ein Muster, das immer auf die gleiche Weise verhindert, dass eine Partnerschaft gelingt.

Der Therapeut fragt nach den Mitgliedern der Ursprungsfamilie, in der wir aufgewachsen sind und nach besonderen Schicksalen wie früher Tod, frühe Trennung von den Eltern oder der Eltern, Krankheit, Suizid.... Daraus ergibt sich ein Bild, welche Personen für die Aufstellung vermutlich wichtig sind. Danach wählt derjenige, der Klient aus den Anwesenden Stellvertreter für sich und die Angehörigen seiner Familie. Diese werden von ihm danach im Raum nach seinem Gefühl zueinander aufgestellt. Wenn alle Personen auf ihrem Platz sind, setzt sich der Aufstellende wieder.

Die aufgestellten Personen fühlen sich in ihre Situation ein und geben nach einiger Zeit Auskunft, wie es ihnen geht. Die Wirkung, die der Platz hat, auf dem sie stehen, kann dramatisch sein und wiederspiegelt die Gefühle der Person, die vertreten wird. Dies ist die erste Phase der Aufstellung, die das innere Bild des Klienten wiederspiegelt.

In einer zweiten Phase versucht der Therapeut, durch ordnendes Umstellen die verborgene Dynamik der Familie sichtbar zu machen. Dabei kann es sein, dass vergessene Personen erst noch ihren Platz finden müssen. So entsteht am Ende ein heilendes Schlussbild, in dem dann auch der Aufstellende seinen Platz einnimmt und auf sich wirken lassen kann, wie er trotz allem Schlimmen dennoch einen guten Platz in seiner Familie hat. Dieses Bild nimmt der Klient in seinem Herzen mit nach Hause, es erleichtert ihm, seinen Platzt im Leben besser einzunehmen und destruktive Verhaltensweisen aufzugeben.

Wie es kommt, dass fremde Personen die Gefühle anderer Menschen erleben, dafür gibt es keine rationale Erklärung, man kann dieses Phänomen einfach nur als gegeben hinnehmen. Wenigstens will ich aber versuchen, den Hintergrund dieser Arbeit kurz zu erklären. Die Kinder, die wir waren, sind an die Mitglieder ihrer Familie mit einer tiefen, archaischen Liebe gebunden. Unser größter Wunsch ist es, dazuzugehören. So kommt es, dass wir manchmal auch schlimmes Schicksal, schwere Krankheit und schwere Gefühle übernehmen, die nicht unsere eigenen sind, einfach nur, um dazuzugehören. Diese kindliche Liebe ist blind. Zum Beispiel, wenn eine Mutter bei der Geburt ihres Kindes stirbt, weigert sich das Kind womöglich, das Leben wirklich anzunehmen. Es sagt innerlich: liebe Mama, du bist tot, ich werde so leben, dass auch ich so tot wie möglich bin, um dir nahe zu sein. Für die Mutter ist das aber schlimm, denn sie hat ihrem Kind mit Liebe das Leben geschenkt und den vollen Preis dafür bezahlt. Das schwere Schicksal gehört der Mutter und es wäre eine erwachsene Form von Liebe, wenn das Kind innerlich sagen würde: Liebe Mama, dafür, dass ich leben kann, hast du alles gegeben. Es soll nicht umsonst gewesen sein. Dir zu Ehren will ich mein Leben genießen und etwas daraus machen. Wenn ich darf, gebe ich das Leben weiter. Die gleiche Liebe, die blind in den Tod führt, führt sehend ins Leben. Die kindliche Treue führt dazu, dass wir uns verstricken in das Schicksal unserer Familienmitglieder. Auch wenn wir glauben, einen Angehörigen unserer Familie innerlich abzulehnen, übernehmen wir auf dieser inneren, archaischen Ebene dessen Gefühle und Verhaltensweisen und sind nicht wirklich frei für unser eigenes Leben.

Die Familienaufstellung macht es möglich, alles, was nicht zu uns gehört, mit Achtung denen zu lassen, die es schon getragen haben und alles, was wirklich unseres ist, mit Liebe anzunehmen. In der Familienaufstellung sehen wir aber: wie immer unser Schicksal war, wir haben unseren Platz und sind gut ausgestattet. Wir bekommen ein Gefühl dafür, was wir schon haben.